Social CRM in der Praxis: Datenbasierte Entscheidungen

Die Allgegenwart der sozialen Medien in unserem Leben ist unbestreitbar. In vielen Unternehmen verändern traditionelle Call-Center ihre Kommunikationskanäle hin zu Direktnachrichten via Twitter, Facebook oder WhatsApp. In diesen Kanälen begannen die Verbraucher ihre Meinungen und Erfahrungen in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen klar zum Ausdruck zu bringen, was zum bekannten Phänomen der digitalen Mundpropaganda führte.

Die Analyse solcher Daten ist unabdingbar geworden. Diese große Menge an nutzergenerierten Daten, die unter dem englischen Begriff User-Generated Content (UGC) bekannt ist, macht jedoch manuelle Analysen unmöglich und verhindert die Extraktion von Wissen, welches den Unternehmen Wettbewerbsvorteile bringt. In diesem Sinne hat die automatische Datenanalyse durch soziale Medien ihren Platz im Kundenbeziehungsmanagement erlangt.

Foster Provost und Tom Fawcett[1] betonen in einem wegweisenden Artikel zu Recht die Beziehung zwischen Big Data, datenbasierter Entscheidungsfindung (Data-driven Decision Making) und Datenwissenschaft (Data Science), wobei besonders die Auswirkungen auf die Wirtschaft hervorgehoben werden. Schauen wir uns die Konzepte näher an, um diese Beziehung zu verstehen. Big Data ist gekennzeichnet durch folgende Faktoren:

i) Volumen - bezieht sich auf die zu analysierende Datenmenge. Auf Facebook werden beispielsweise täglich über 10 Milliarden Nachrichten, 5 Milliarden Interaktionen und 350 Millionen Fotos geteilt;

ii) Geschwindigkeit - Der Faktor bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der diese Daten erstellt werden – wie das vorherige Beispiel veranschaulicht. Darüber hinaus verhindert diese Geschwindigkeit eine effiziente Echtzeit-Datenanalyse;

iii) Varietät - In der Vergangenheit waren die meisten für die Analyse verfügbaren Daten in relationalen Datenbanken strukturiert, d.h. in Tabellenform. Derzeit wird geschätzt, dass über 90 % der vorhandenen Daten unstrukturierter (und recht unterschiedlicher) Natur sind, wie Texte, Videos, Fotos, Standorte und Audios. Solche Datentypen erfordern neue Analysetools;

 iv) Wahrhaftigkeit - Dieser Faktor ist sehr wichtig für Unternehmen, da die Informationen wahr sein müssen. In Zeiten gefälschter Nachrichten (Fake News) und wahlloser Bot-Nutzung sollten Informationen, die in sozialen Medien verbreitet werden, evaluiert und gefiltert werden, um die Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu gewährleisten;

v) Wert - Letztendlich müssen diese Daten einen potenziellen geschäftlichen Wert haben, der Erkenntnisse für eine genauere Entscheidungsfindung liefert.   

Datenbasierte Entscheidungsfindung (Data-Driven Decision Making) bezieht sich auf die Praxis, Entscheidungen auf der Grundlage von Datenanalyseergebnissen und nicht basierend auf Eindrücken oder Intuitionen zu treffen. Schließlich kann Data Science als ein multidisziplinäres Feld definiert werden, welches wissenschaftliche Methoden, Prozesse und Algorithmen (Triade) verwendet, um Wissen und Erkenntnisse aus Daten zu extrahieren – unabhängig davon ob strukturiert oder unstrukturiert.

In dieser Triade (wissenschaftliche Methoden, Prozesse und Algorithmen) besteht das Ziel der Analysten darin, effiziente Methoden zur Analyse großer Datenmengen zu entwickeln, die neue und potenziell nützliche Erkenntnisse für die Entscheidungsfindung in bestimmten Branchen aufdecken.

Mit der Datenanalyse-Expertise vom Laboratório de Inteligência Computacional da Universidade Federal do Pará, Brasilien und dem Laboratório de Computação Aplicada da UFOPA, Brasilien wurde das Verständnis für die Anforderungen des Social CRM-Marktes von Forschern mit denen von Unternehmen verknüpft, die mit dem Social CRM Research Center verbunden sind. An der Universität Leipzig haben wir ein Mapping mit diesen drei Elementen erstellt: 

  • Methoden zur Analyse von Social Media Daten,
  • Entscheidungsfindung im Rahmen des Kundenbeziehungsmanagements,
  • zu extrahierendes Wissen und gewonnene Erkenntnisse.

Der erste Teil des Mappings erfolgte durch Recherche der vorhandenen Literatur und der Konsultation von Fachleuten auf dem Gebiet des CRM, welches multidisziplinär ist. Aus diesem Grund waren Fachleute unter anderem aus den Bereichen Marketing, Verwaltung, Informatik und Design beteiligt.

Wie bereits erwähnt, können alle Bereiche von der Analyse von nutzergenerierten Inhalten profitieren. Durch das Verstehen der Wünsche und Ambitionen der Kunden ist es möglich neue Produkte (durch Kollaboration und Innovation) zu entwickeln, das Nutzererlebnis zu verbessern, die Planung von Marketingkampagnen zu unterstützen, den Umsatz zu steigern und die After-Sales-Kommunikation zu unterstützen, auch durch soziale Medien.

In einem zweiten Schritt analysierten die an diesem Projekt beteiligten Forscher die Datentypen in den sozialen Medien, wie Benutzerprofil, Textbeiträge, Standortfreigabe usw. Durch die Auswahl der Daten konnten die Analysemöglichkeiten, wie in der folgenden Abbildung dargestellt, ermittelt werden.

 

Durch die Auseinandersetzung zwischen den am Entscheidungsprozess beteiligten Branchen und möglichen Analysen mit den verfügbaren Daten wurden die Verwendungsmöglichkeiten der Ergebnisse für Entscheidungsprozesse abgebildet. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist in der folgenden Tabelle zu sehen.

Tabelle 1: Potenzialanalyse und Services im Kontext von Social CRM, adaptiert aus (Lobato et al., 2017).

 CRM-bezogene Branchen

 Portfolio möglicher Services im Social CRM

 Vertrieb

 Produktempfehlung

 Kaufvorhersage

 Identifizierung von Leads (potentielle Verbraucher)

 Marketing

 Marktanalyse

 Social-Media-Kampagnen

 Adaptive Markenführung

 Folgenabschätzung von Werbekampagnen

 Service & Support

 Social Media FAQs

 Automatische Zuordnung von Stellen zu den

 relevanten Branchen

 Community-Support-Foren

 Innovation

 Soziale Unternehmensnetzwerke

 Identifizierung der Wünsche und Bedürfnisse

 von Verbrauchern

 Identifizierung von Trends

 Kollaboration

 Identifikation digitaler Influencer

 Rekrutierung von Mitarbeitern

 Erfahrung von Verbrauchern

 Rekrutierung von Markenbotschaftern

 Identifikation und Förderung von Influencer-Communitys

 

Es ist interessant festzustellen, dass bereits mehrere Tools vorhanden sind, die einen Teil der vorgestellten Analyse bereitstellen. Andere wiederum erfordern eingehende und unternehmensspezifische Studien[2]. Unsere Forschung am Social CRM Research Center konzentriert sich auf Lösungen zur Vertiefung und Verfeinerung dieser Analysen mit der Unterstützung eines Teams aus Social-Media-Forschern und -Analytikern, die in der Lage sind Erkenntnisse zu sammeln, zu analysieren und zu deuten, um Unternehmen voranzutreiben.

 


[1] Data Science and its Relationship to Big Data and Data-Driven Decision Making Foster Provost and Tom Fawcett Big Data 2013 1:1, 51-59

[2] Eine fortführende Diskussion der Analysepotenziale im Social CRM findet sich im Beitrag Social CRM: Biggest Challenges to Make it Work in the Real World, eingereicht im Workshop on Intelligent Data Analysis in Integrated Social CRM, erschienen in 19th International Conference on Business Information Systems.

 

Übersetzt ins Deutsche von Julio Viana und Nicole Vergin.

Gastautor

Fábio Lobato
Fábio Lobato ist Professor am Institut für Ingenieurwissenschaften und Geowissenschaften der Federal University of Western Pará. Seit 2015 ist er mit dem Social CRM Research Center verbunden, wo er in der Datenanalyse tätig ist, um die Entscheidungsfindung zu unterstützen.
Seine Forschung umfasst alle Phasen des Geschäftsdatenanalyseprozesses, angefangen beim Verstehen der Bedürfnisse des Unternehmens über die Auswahl von Datenquellen, die Extraktion von Wissen, die Validierung von Ergebnissen bis hin zur Einbeziehung des Wissens in Entscheidungsprozesse. Der Fokus liegt auf der Prozessoptimierung sowie der Entwicklung neuer Analysemethoden, die darauf abzielen Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Vordergründig werden dabei kleine und mittlere Unternehmen unter Berücksichtigung ihrer Ressourcenbeschränkungen betrachtet.